Altes Pferd im Offenstall? Hieran solltest du denken!

Altes Pferd im Offenstall? Hieran solltest du denken!

Was braucht ein altes Pferd, um glücklich zu sein? Sicherlich weiß es die kleine Frida! Sie gilt aktuell als Deutschlands ältestes Pony. Die graumelierte Shettydame lebt fit und zufrieden in einer Offenstallanlage für Shetlandponys. Stolze 53 Jahre alt!

Je nach Studie gilt ein Pferd ab ca. 20 Jahren als alt. Manche sprechen von 15 Jahren. Über 30 zählt als sehr alt. Aber, wie beim Menschen, ist Alter auch immer eine relative Frage und stets im Rahmen des biografischen Gesamtkontextes des individuellen Tieres zu betrachten. Darüber hinaus gibt es rassespezifische Unterschiede: Araber und (Welsh-)Ponys sind bei den „Alten“ überdurchschnittlich oft vertreten, dabei viele Wallache (Van den Hoven, VetmedUni Wien 2014).

Frida ist sicherlich eine Ausnahme, aber im Bereich der Pferdesenioren findet seit einigen Jahren eine Veränderung statt. Die Zahl der alten Pferde nimmt stetig zu. Dank veränderter Nutzung, verbesserter Haltungsparameter und medizinischer Versorgung, können heute zunehmend mehr Pferde als Familienmitglieder ihrer Menschen alt werden.

Nationale und internationale Zahlen belegen dies. Eine in 2016 vorgestellte Studie mit 1.342 befragten Pferdehaltern aus den USA, England, Australien, Irland und Kanada zeigte auf, dass 28,4% der gehaltenen Pferde ein Alter von über 16 Jahre auswiesen und 2% über 30 Jahre alt waren (Bushell & Murray, 2014).

Eine deutschlandweite Umfrage der HorseFuturePanel in 2016 mit 747 Teilnehmern ergab, dass 39% der Befragten zu diesem Zeitpunkt selbst Halter eines Rentnerpferdes waren. Die meisten dieser Pferde, ebenfalls 39%, lebten in Offenstallhaltung, 20% in Weidehaltung, 6% in einem Aktivstall. 46% der Befragten äußerten einen Mangel an artgemäßen Haltungsangeboten für Seniorenpferde (HorseFuturePanel, 2016).

Und: nicht jeder Pferderentner ist im Ruhestand! Die Deutsche Reiterliche Vereinigung verzeichnete 2019 3.860 Pferde über 19 Jahren in ihrem Turnierpferderegister (FN, 2019). Tendenz steigend.

Welche Tierwohlindikatoren müssen erfüllt werden, um Pferden Wohlbefinden im Alter zu ermöglichen? Eignet sich die zunehmend beliebte Form der ganzjährigen Offenstall-/ Gruppenweidehaltung für alte Pferde? Welche speziellen Bedürfnisse müssen Pferdehalter, bzw. Betriebsleiter in Hinblick auf die Haltung, die Gesundheitsprävention und das Verhalten alter Pferde beachten?

Was bedeutet Tierwohl?

Tierwohl darf nicht dem Zufall überlassen werden! Auf dieser Grundlage definierte bereits 1979 das Farm Animal Welfare Council (FAWC) in Großbritannien die s.g. „5 Freiheiten“, die als Basis einer artgerechten Tierhaltung insbesondere gewerbliche / landwirtschaftliche Bereiche ansprechen sollten.

Die 5 Freiheiten wurden wie folgt definiert (Welttierschutzgesellschaft e.V.):

  1. Freiheit von Hunger, Durst und Fehlernährung.
  • Hierzu zählen ein dauerhafter und leichter Zugang zu frischem Wasser sowie eine tiergerechte und gesundheitsfördernde Nahrung.
  1. Freiheit von Unbehagen.
  • Tiere brauchen eine tiergerechte Haltung, Schutz vor Gefahren und Witterung, adäquate Liege- und Ruhebereiche.
  1. Freiheit von Schmerz, Verletzung und Krankheit
  • Jedes Tier benötigt fachgerechte medizinische Versorgung, Maßnahmen zur Gesundheitserhaltung (Impfungen, Parasitenbehandlung) und zeitnahe Behandlung von Erkrankungen und Verletzungen.
  1. Freiheit von Angst und Leiden
  • Hierunter fallen Aspekte eines Angst- und Distress-vermeidendes Managements.
  1. Freiheit zum Ausleben eines normalen Verhaltens
  • Hierzu zählen ein ausreichendes Platzangebot, tiergerechte Sozialstrukturen, Bewegungsmöglichkeiten, aber auch eine gute Mensch-Tier-Beziehung.

Tierwohlindikatoren können grundsätzlich unterschieden werden in ressourcenbezogene Indikatoren (z.B. baulich-technisch, messbar), managementbezogene Indikatoren (hierzu zählt u.a. auch die Qualifikation des Tierhalters) sowie die individuellen, tierbezogenen Indikatoren zu Gesundheit und Verhalten. Diese Indikatoren messbar in der Praxis umzusetzen, sie als gültig (valide) und wiederholbar (reliabel) zu definieren, ist spätestens seit Veröffentlichung der fünf Freiheiten zu einem Thema wissenschaftlicher Auseinandersetzung geworden.

Infolge entstand u.a. 2011 das EU-geförderte Animal Welfare Indicator Projekt (AWIN), in dem der Denkansatz der fünf Freiheiten für den Bereich der Nutztiere vertieft wurde. Aktuell beschäftigen sich die s.g. Münchener Bewertungssysteme vertiefend mit den Tierwohlkriterien für Pferde. Das Weihenstephaner Bewertungssystem, das von Dr. Margit Zeitler-Fecht und weiteren Experten erarbeitet wurde und dessen Kriterien nochmals erweitert Eingang im Projekt BestTUPferd der TU München fanden, erfasst umfassend Parameter aus den Bereichen:

  • Verhalten / Empfindung
  • Gesundheitszustand
  • Haltung und Management
  • Umweltwirkungen

BestTUPferd wird voraussichtlich ab Ende 2021 als digitales Tool für Experten der Pferdehaltung zur Verfügung stehen und die Bewertung valider Tierwohlindikatoren in der Pferdehaltung ermöglichen.

Pferdehalter sollten darüber hinaus mit dem Tierschutzgesetz sowie mit den „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltung unter Tierschutzgesichtspunkten vom 09. Juni 2009“ vertraut sein. Die Leitlinien befinden sich aktuell in Überarbeitung (Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz).

Eine gut umgesetzte und fachkundig geführte Offenstall- / Gruppenweidehaltung für alte Pferde kann und sollte die Ansprüche aktueller Bewertungssysteme erfüllen. Sie erfordert entsprechende Fachkenntnisse des Tierhalters, bzw. Betriebsleiters.

Wichtige Kriterien einer ganzjährigen Offenstallhaltung für dein altes Pferd

Pferde sind gern in Bewegung. Ursprünglich Steppentiere, bestimmte die Suche nach Futter und Wasser ihren Tag. Lässt man sie, verbringen sie rund 50-75 % des Tages mit der Futteraufnahme im langsamen Schritt. Das Leben in Kleingruppen mit einem hohen Maß an sozialer Interaktion und einem ausgeprägten Erkundungsverhalten entspricht ihrem natürlichen Wesen.

In ganzjährigen Offenstall- und Gruppenweidehaltungen können die Möglichkeiten selbstbestimmter sozialer Interaktionen mit gesundheitsfördernden Aspekten wie Bewegung, frischer Luft und Sonnenlicht, optimal kombiniert werden. Im Folgenden sollen die Tierwohlindikatoren, die der Erfüllung der fünf Freiheiten dienen, in Bezug auf die ganzjährige Offenstallhaltung alter Pferde gesetzt werden.

Gruppengröße & Zusammensetzung

Viele Pferde erleben häufige Stallwechsel, bei denen wenig auf die Zusammensetzung der Gruppe geachtet wird. Für Pferde, insbesondere für alte, kann dies einen immensen und nachhaltigen Stressfaktor darstellen. Da alte Pferde oftmals ihren Rang nicht mehr behaupten können, sind sie in gemischtaltrigen Gruppen meist rangniedrig – auch wenn die Altersmischung durchaus einer natürlichen Herde entspricht und für Abwechslung und soziale Aufgaben im Alltag sorgen kann.

Unabhängig von der Altersstruktur empfiehlt sich eine Gruppengröße von 2-10 Pferden. Reine Seniorengruppen können zu Langeweile neigen. Hier ist der Mensch gefragt, um tiergerechte Beschäftigung sowie eine abwechslungsreiche Weidegestaltung zu etablieren. Denn auch alte Pferde verlieren ihre Neugierde und ihr Erkundungsverhalten nicht!

Das Platzangebot sollte großflächig bemessen sein. Es ist darauf zu achten, dass für jedes Tier ausreichend Witterungsschutz, Ruheplätze, Futterstellen und Trinkangebote vorhanden sind. Auch hier sollte besonders auf die Bedürfnisse rangniedriger Tiere geachtet werden. Werden sie von ranghohen Tieren von Versorgungs- oder Ruhebereichen vertrieben, ohne eine Alternative zu haben, führt dies zu Mangelernährung und chronischem Schlafmangel. Ihr Status in der Gruppe, ihr Verhalten und ihre Gesundheit sind bei alten Pferden intensiv zu beobachten.

Pro Pferd sollte eine Mindestfläche von 300m2 zugrunde gelegt werden. In einer Studie (Flauger, B. und Krüger, K., 2013) konnte nachgewiesen werden, dass erst ab diesem Wert ein niedriger Aggressivitätslevel in Pferdegruppen entsteht. Sollte die Pferdehaltung in Form eines landwirtschaftlichen Betriebes geführt werden, muss darüber hinaus auf die Berechnung der zulässigen VE (Vieheinheiten) auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen geachtet werden.

Versorgungsbereiche, Fütterung & Ernährungszustand

In der Offenstall- und Gruppenweidehaltung werden gern gezielte Bewegungsanreize durch beabsichtigte Entfernungen zwischen Futterbereichen, Liegeplätzen, Tränken, Minerallecksteine u.a. Angeboten gesetzt. Diese Wegstrecken sind für alte Pferde meist wünschenswert, da sie im eigenen Tempo in ständiger Bewegung bleiben und somit einer Verschlechterung häufiger auftretender arthrotischer Probleme entgegengewirkt werden kann. Auch hier ist immer auf das Individuum zu achten. Es gibt alte Pferde, die schmerzbedingt Wege meiden und in Folge eine zu geringe Trinkmenge aufnehmen. Insbesondere, wenn der Weg zur Tränke durch Matsch oder Eis rutschig wird, müssen Tiere mit Unsicherheiten (mangelnde Trittsicherheit, Sehkraftverlust) individuell versorgt werden. Ein erwachsenes Großpferd benötigt im Erhaltungsbedarf rund 18-30 Liter Wasser täglich.

Unabhängig vom Alter muss Pferden ein ständiger und leichter Zugang zu frischem und sauberem Wasser ermöglicht werden. Im Winter muss hier an entsprechend frostfreie und ggf. temperierte Möglichkeiten gedacht werden, im Sommer an Hygienemaßnahmen, die Algenbildung oder anderweitiger Verschmutzung vorbeugen.

Pferdefütterung ist ein komplexes Thema. Halter alter Pferde sollten sich für ihr Tier eine individuelle Beratung und Rationsberechnung durch einen Ernährungsexperten leisten, denn eine bedarfsgerechte Fütterung und Nährstoffsupplementierung ist die Basis eines gesunden Älterwerdens.

Grundsätzlich gilt (Winter, D., Jostes, B., 2021):

  • Raufutter in Form von Heu oder Heulage bildet die Basis der täglichen Versorgung. Hierbei sollten mindestens 1,5 kg Futter pro 100 kg Lebendmasse täglich berechnet und in mehreren kleinen Rationen verfüttert werden.
  • Fresspausen von mehr als 3-4 Stunden sind unphysiologisch und zu vermeiden.
  • Soll Kraftfutter verfüttert werden, dann erst nach dem Rauhfutter.
  • Alle Futtermittel (Rauh- & Kraftfutter) dürfen nur in einwandfreiem Zustand verfüttert werden. Hierfür ist eine hygienische Lagerung maßgeblich.

Als valider Richtwert für die Bestimmung des Ernährungszustands gilt der Body Condition Score (BCS). Mit dem BCS kann überprüft werden, ob ein Pferd Idealgewicht hat, zu dünn oder übergewichtig ist. Er bewertet das Verhältnis von Fettmasse zu fettfreier Masse im Körper eines Pferdes. Empfehlenswert ist das BCS-Bewertungssystem nach Schramme (Schramme C., 2003).

Der BCS bewertet innerhalb einer Skala von 1-9 den Status des Unterhautfettgewebes von sechs definierten Körperbereichen: Hals, Schulter, Rücken, Brust, Hüfte und Schweifansatz. Der BCS-Wert ermittelt sich aus dem Durchschnitt der sechs Einzelwerte. Ein BCS 5-6 gilt als ideal, Werte über 6 gehen in Richtung Übergewicht, Werte unter 5 weisen in Abstufung auf Untergewicht hin.

Ruhe-/Liegeplätzen

Erwachsene, gesunde Pferde ruhen bis zu 9 Stunden täglich. 80 % der Zeit davon dösen sie im Stehen, rund 2,5-5 Stunden im Liegen. Sie benötigen die Ruhebereiche, die einen natürlichen oder künstlichen Schutz vor Witterungsbedingungen und Insekten bieten. Liegeflächen sollten trittsicher, trocken und verformbar sein.

Der Ruhebedarf alter oder kranker Pferde kann von der Norm abweichen und nimmt in der Regel zu. Manches alte Pferde vermeidet Hinlegen und Aufstehen. Altersbedingte, schmerzhafte Erkrankungen im Bewegungsapparat, ein mangelhafter Liegebereich oder andere Faktoren für eine gefühlte Unsicherheit, können ihnen das Schlafen im Liegen zu anstrengend machen.

Insbesondere in altersgemischten Gruppen benötigen alte Pferde stressfreie Rückzugsbereiche, die ihnen auch als rangniedrige Tiere ausreichend Schlaf ermöglichen. Chronischer Schlafmangel kann zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen bis hin zur Narkolepsie inklusive sturzbedingter Verletzungen führen.

Thermoregulation

Die Frage, ob alte Pferde sich klimatisch in Offenställen und einer ganzjährigen Weidehaltung wohl fühlen, hören Offenstallbetreiber oft. Insbesondere, wenn der Mensch anfängt zu frieren, überträgt sich diese Sorge in Bezug auf die Pferde. Grundsätzlich unterscheidet sich diese Wahrnehmung jedoch stark zwischen Menschen und Pferden. Während der Mensch sich zwischen 20-25° C wohlfühlt, liegt die s.g. thermoneutrale Zone beim Pferd zwischen -15° bis +25° C. Temperaturen über oder unter dieser Referenzzone muss der Pferdeorganismus aktiv ausgleichen. Das dafür benötige Plus an Energie muss über eine erhöhte Futterzufuhr bereitgestellt werden.

Insbesondere bei alten Pferden ist mit einer verminderten Temperaturtoleranz zu rechnen. Pferdehalter sollten die Rationsberechnung daher jahreszeitlich anpassen und bei Bedarf ihren Senior durch Regen- oder Thermodecken vor starker Kälte, dauerhafter Nässe oder starkem Wind schützen.

Die Ansprüche alter Pferde an ihre Versorgung, ihre Ruhe-, Fress- und Tränkebereiche sowie ihre Thermoregulation gehen über die Mindestanforderungen der Pferdhaltung hinaus!

Stress & Schmerzen

Pferde leiden leise. Ihnen Stress oder Schmerz anzusehen, bedarf Fachwissen und Erfahrung. Eine Studie konnte belegen, dass Pferdehalter viele Aktivitäten als alltäglich und „normal“ ansahen, diese aber bei ihrem Pferd bereits zu Stress und einer Zunahme von Magengeschwüren führten (McClure et al., 2005).

Positiver Stress (Eustress) und negativer Stress (Disstress) werden im Organismus über verschiedene endokrine und neurologische Mechanismen gesteuert. Stress kann viele Gesichter haben: ein positiv erlebtes Training, Auseinandersetzungen mit Artgenossen bis hin zu schwerwiegenden Erlebnissen oder sogar Todesangst. Der Körper löst Kaskaden von Hormonen, Neurotransmittern, inneren und äußeren Reaktionen aus. Wichtig in der Unterscheidung ist, ob Stress chronisch stattfindet, ob Bewältigungsstrategien entwickelt werden, der Organismus regenerieren kann – oder ob gesundheitsschädigender Langzeitstress entsteht.

Der Stresszustand des Pferdes kann über das freie Cortisol nachgewiesen werden. Dieser Nachweis ist für Mensch und Pferd am praktikabelsten durch eine nicht-invasive Probenentnahme von Speichel oder Kot. Da die Cortisolkonzentration einem zirkadianen Tagesrhythmus unterliegt, bzw. Stress diesen Rhythmus stören kann, muss dieser Aspekt bei der Durchführung von Studien beachtet werden.  Neben der Cortisolbestimmung dienen die Herzfrequenzmessung sowie die sensorische Lateralität als Stressindikatoren. Ein standardisierter Indikator in der Erkennung von Schmerz wurde im Rahmen des AWIN-Projektes 2014 entwickelt: der Horse Grimace Scale (HGS).

Um ein Schmerz-, Angst- oder Stressgeschehen festzustellen, sind Gestik, Mimik und Körperhaltungen des Pferdes zu beobachten und individuell in den aktuellen Verhaltenskontext zu setzen. Zu beachten sind hierbei insbesondere: die Augenpartie, der Blick, die Ohrenstellung, die Nüstern, das Maul, der Kiefer, die Kiefermuskulatur, Kopf, Hals, Halswirbelsäule, die Beine sowie die Körpermuskulatur und der Schweif. Das HGS bietet hierfür definierte Kriterien. Die Beobachtung und Einschätzung benötigen allerdings entsprechende Erfahrungen (AWIN welfare assessment protocol for horses, 2015).

Gesundheitsprävention des alten Pferdes

Alte Pferde brauchen eine individuelle und engmaschige Gesundheitsvorsorge. Neben den grundlegenden Standards wie Impfungen, Entwurmungen und Hufpflege, ist auf alterstypische Probleme zu achten sowie auf die Zahngesundheit. Eine tägliche Kontrolle der Tiere in Hinblick auf Krankheitssymptome, Verletzungen oder Verhaltensänderungen muss gewährleistet sein. Da die Hautelastizität und Immunabwehr alter Pferde abnimmt, ist auf eine sorgfältige Versorgung von Wunden und Erkrankungen zu achten.

Ihr weiß-graues Fell, meist zunehmend im Gesicht, zeugt nicht nur von ihrem Alter. Haut- und Fell verändern sich. Insbesondere zu Zeiten des Fellwechsels benötigen alte Pferde unterstützend eine zusätzliche und individuelle Mineral- und Nährstoffversorgung. Auch das Hufwachstum kann sich mit dem Alter und der Jahreszeit verändern. Die Hufpflege sollte dementsprechend angepasst werden.

Viele alte Pferde sind von Erkrankungen des Bewegungsapparates betroffen, insbesondere arthrotische Veränderungen Im Bereich der Wirbelsäule und der Beine spielen hier eine maßgebliche Rolle. Sichtbare Veränderungen sind darüber hinaus ein Muskelabbau und ein altersbedingter Senkrücken. Seh- und Hörkraftverlust können sich im Verhalten und einer erhöhten Schreckhaftigkeit bemerkbar machen. Ältere Pferde sind anfälliger für Schlundverstopfung und Verstopfungskoliken. Veränderungen im Herz-/Kreislaufsystem treten vermehrt auf, allerdings oft symptomlos. Darüber hinaus können alte Pferde vermehrt Tumore aufweisen, an erster Stelle stehen Melanome.

Jedes fünfte Pferd über 15 Jahre weist das nicht heilbare Equine Cushing Syndrom auf (Boehringer Ingelheim Vetmedica, 2012). Das ECS ist eine Erkrankung des endokrinen Systems, die zu einer übermäßigen Cortisolbildung führt und deren äußerst schmerzhafte und folgenschwere Auswirkung die Hufrehe ist.

Die Zahngesundheit alter Pferde ist maßgeblich für ihren Gesundheits- und Ernährungszustand. Pferdezähne nutzen sich im Lauf der Zeit ab. Ein ungleichmäßiger Zahnabrieb, fehlende Zähne, Zahnhaken, scharfe Kanten oder Kiefergelenksprobleme verursachen Schmerzen und beeinträchtigen die Futteraufnahme. Diese Problematik kann zu einer schnellen und deutlichen Abmagerung führen. Tierärztliche Zahnkontrollen sind daher für alte Pferde mindestens zweimal jährlich notwendig. Sehr alte Pferde benötigen oftmals auf Grund ihres mangelhaften Zahnzustands eine deutliche Zufütterung. In der Regel werden hierfür eingeweichte Heucobs empfohlen. Einige Senioren müssen vollständig durch Futterbrei ernährt werden.

Alte Pferde benötigen eine aufmerksame und fachkundige Gesundheitsversorgung, bei der zusätzlich engmaschig auf den Zahnstatus, den Body Condition Score, auf Stress- oder Schmerzanzeichen sowie Verhaltensveränderungen geachtet werden sollte.

Beschäftigung & Verhalten

Auch alte Pferde wollen beschäftigt werden. In Anlehnung an ihren gewohnten Einsatz- bzw. Trainingsstatus sollte ihr Pensum ihrem individuellen Gesundheitszustand angepasst werden. Auf keinen Fall sollten sie auf der „Rentnerkoppel“ in Inaktivität und Langweile verfallen. Darüber hinaus kann eine angepasste Bewegung altersbedingten Erkrankungen vorbeugen, bzw. deren Verlauf verlangsamen.

Unabhängig vom Reiten stehen eine Vielzahl an Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung, die ein altes Pferd physisch und psychisch fit halten können: Geländegänge, Bodenarbeit, physiotherapeutisches Training, Pferde-Agility oder Wippentraining, Erkundungsspiele oder Enrichment, sind nur eine kleine Auswahl an Möglichkeiten.

Eine abwechslungsreiche und äußerst sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeit bietet ein positiv aufgebautes, professionelles Medical Training. Eine Option, die nicht nur das Pferd beschäftigt und die medizinische Versorgung erleichtert, sondern darüber hinaus zu einer positiven und vertrauensvollen Mensch-Tier-Beziehung beiträgt. Ein Faktor, der für ein altes Pferd in seinen letzten Jahren überaus wertvoll sein kann.

Mit dem Alter unverändert braucht auch ein Senior soziopositive Kontakte und die Möglichkeit, artgemäße Verhaltensweisen auszuleben. Neben dem Sozialverhalten sind für das Pferd Erkundungs-, Spiel- und Komfortverhalten Verhaltensweisen, die für ein positives emotionales Wohlbefinden in Betracht gezogen werden, insbesondere das affiliative Verhalten. Als valider, tierbezogener Indikator, der Auskunft über das Wohlbefinden des Pferdes gibt, hat sich aus dem affiliativen Bereich das Zusammen sein als besonders aussagekräftig erwiesen. Pferdehalter sollten ihr altes Pferd dahingehend beobachten, ob es freiwillig eine Freundschaft zu einem Artgenossen eingeht und mit ihm Zeiten des gemeinsamen Ruhens oder Fressens verbringt. Grundlage ist die Freiwilligkeit der Interaktion. Durch Platzmangel o.a. Umstände erzwungene Kontakte fallen nicht in den soziopositiven Kontext (Zeitler-Feicht M. H., Baumgartner M., 2016).

Nochmals erwähnt seinen altersbedingte Verhaltensänderungen, wie z.B. ein vermehrtes Ruhebedürfnis, eine erhöhte Schreckhaftigkeit durch eine Beeinträchtigung der Sinnesleistung, vermindertes Liegen oder Wälzen.

Das Fazit für dich und dein altes Pferd

Die Anzahl der Pferde über 20 Jahre wächst, verbunden mit der Bereitschaft der Halter, die Versorgung bis ins hohe Alter der Tiere zu begleiten. Entsprechende veterinärmedizinische Möglichkeiten verbessern die Option, dass Pferde immer älter werden können und dürfen. Parallel dazu wächst der Bedarf an möglichst artgemäßen Unterbringungsmöglichkeiten für alte Pferde.

Eine ganzjährige Offenstall-/Gruppenweidehaltung bietet gute Voraussetzungen, valide Tierwohl-indikatoren, abgestimmt auf die Bedürfnisse alter Pferde, umzusetzen und für ein Wohlbefinden der Tiere zu sorgen. Grundlage hierfür ist eine Auseinandersetzung der Pferdehalter, bzw. der Betriebsleiter mit erhöhten Ansprüchen der Pferdesenioren. Es wird deutlich, dass eine artgemäße Haltung alter Pferde die Mindestanforderungen der „Leitlinie zur Beurteilung von Pferdehaltung unter Tierschutzgesichtspunkten“ übersteigt.

Alte Pferde haben erweitere Bedürfnisse in Hinblick auf die Gestaltung der Offenstall-/Weidehaltung. Es muss sichergestellt sein, dass auch für rangniedrige oder gesundheitlich beeinträchtigte Tiere Futter und frisches Trinkwasser über die entsprechenden Versorgungsbereiche leicht zugänglich sind. Futterrationen und eine jahreszeitlich orientierte Nährstoffsupplementierung müssen dem altersentsprechenden Gesundheitszustand individuell angepasst werden. Bei alten Pferden sollten engmaschig der Zahnstatus und der Body Condition Score überprüft werden. In Abhängigkeit von der Zahnsubstanz, kann es notwendig sein, alte Pferde durch eingeweichtes Zusatzfutter zu versorgen. Auch ihrem erhöhten Ruhebedürfnis in Verbindung mit einem ggf. niedrigem Rang ist betriebstechnisch in der Planung der Anlage Beachtung zu schenken. Ein weiterer Mehraufwand für die Senioren muss im Witterungsschutz eingeplant werden. Eine altersbedingte Einschränkung der körpereigenen Thermoregulation sollte durch tiergerechte Unterstände und darüber hinaus durch den Einsatz von Regen- oder Thermodecken bei Bedarf möglich sein.

Die tägliche Durchführung einer Gesundheitskontrolle ist für alle Tierhalter, bzw. Betriebsleiter verpflichtend und sollte bei alten Pferden mit einem zusätzlichen Blick auf ihre speziellen Anforderungen und altersbedingten Erkrankungen ausgeführt werden. Tierärztliche Kontrollen können öfter benötigt werden als bei jüngeren Pferden. Ebenso sollte Zeit und Fachwissen in altersgemäße Beschäftigung investiert werden.

Pferdehalter und Betriebsleiter müssen den durch diese Faktoren entstehenden -teilweise deutlichen-finanziellen, zeitlichen und organisatorischen Mehraufwand bedenken. Darüber hinaus bedarf es an erweiterter Qualifizierung, bzw. Fachkenntnis in den Bereichen Haltung, Gesundheit und Verhalten.

Zum Abschluss ein unwissenschaftliches Aber: die Erfahrungsberichte von Haltern alter Pferde zeigen, dass die ruhige, liebevolle und zugewandte Art der meisten Senioren sowie ihre Sozialkompetenz in der Herde ein immenses Plus für ihre Menschen darstellen und den haltungsbedingten Mehraufwand aufwiegen. Die Beachtung und Vertiefung valider Tierwohlindikatoren für Pferdesenioren und ein Plus an spezialisierten Haltungen wäre notwendig und wünschenswert.

von Angela Zimmermann

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Vielen Dank für das Foto von Frieda an die www.shettyhilfe.de

Angela Zimmermann

ist Autorin und Herausgeberin unseres Magazins. Neben einem Studium der Humanpsychologie absolvierte sie Fortbildungen in der Komplementärmedizin für Mensch und Tier sowie zur Hundeverhaltensberaterin IHK, Hundefachwirtin IHK und hochschulzertifizierten Spezialistin für Pferdehaltung und Tierwohl.

Angela ist Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Tiergestützte Therapie e.V. und Mitglied im IHK-Fachbeirat Mensch & Tier. Neben ihren Onlineaktivitäten leitet sie im Norden Brandenburgs einen Lebenshof für alte Pferde und Nutztiere mit angeschlossenem Bildungszentrum.